Kultusministerin Susanne Eisenmann besucht das Holzgerlinger Unternehmen Elektro Breitling

Wie können Betriebe junge Menschen für eine duale Ausbildung begeistern? Und welche Unterstützung kann die Politik bieten? Einige Antworten gab’s bei einer Besichtigung des Holzgerlinger Unternehmens Elektro Breitling mit Kultusministerin Susanne Eisenmann.

HOLZGERLINGEN. Eine wahre Menschentraube bevölkert am Montag die Flure des Unternehmens Elektro Breitling. Hoher Besuch hat sich angekündigt – und trudelt nur fünf Minuten später als erwartet am Ort des Geschehens ein. Mit einer ganzen Entourage an Begleitern betritt Susanne Eisenmann die schmucken Büroräume in der Böblinger Straße. Die Kultusministerin und frisch gekürte CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021 möchte sich ein Bild darüber machen, wie die duale Ausbildung im Handwerk vor Ort funktioniert und welche Hürden Unternehmen in einer Welt nehmen müssen, in der scheinbar nur das Abitur mit anschließendem Studium zu einem vollwertigen Erwachsenenleben befähigt. Und natürlich auch, um sich Anregungen zu holen, an welchen Stellschrauben die Landespolitik drehen kann, um mittelständische Unternehmen zu unterstützen.

Rund 200 Mitarbeiter beschäftigt die EB-Gruppe heute, davon – Stand jetzt – 33 Auszubildende in derzeit fünf unterschiedlichen Berufssparten. Im September kommen noch einmal 19 dazu. „In den vergangenen sechs Jahren hat sich unsere Bewerberzahl versechsfacht“, verrät Personalchef Jörg Veit. Seit 2014 haben elf Breitling-Azubis Preise in ihren jeweiligen Fachrichtungen abgesahnt, und im vergangenen Jahr wurde das Unternehmen als bester Ausbilder im Handwerk ausgezeichnet. „Ein Segen und ein Fluch zugleich“, erklärt Geschäftsführer Klaus Finger, „denn jetzt haben es Headhunter auf unsere frisch ausgebildeten Kräfte abgesehen.“ Ein Problem, das eines zeigt: Der Kampf um qualifizierte Fachkräfte ist hart.

Und gerade kleinere Unternehmen ziehen im Vergleich mit der großen Industrie oftmals den Kürzeren. „Wir bilden die jungen Leute aus, und die Industrie greift sich die Créme de la Créme ab“, sagt Finger. Und das, „obwohl wir bei den Gehältern sogar mithalten können. Aber wir können keine geregelten Arbeitszeiten garantieren“. Deshalb, so Fingers Anregung, solle eine Ablösesumme für ausgebildete Kräfte festgelegt werden.

Ein Erfolgskonzept mit drei Säulen

Aber welches Erfolgsgeheimnis steht nun hinter der Ausbildung im Hause Breitling? Zu den entscheidenden Komponenten zählen zum einen Inhalte, Qualität und Begleitung der Ausbildung. Die liefere Elektro Breitling zum einen mit dem hauseigenen Ausbildungszentrum. „Zudem haben wir vor fünf Jahren zwei vollwertige Ausbilder eingestellt, die sich nur um die Belange unserer Azubis kümmern. Das ist ein Novum im Handwerk“, sagt Veit. Aber auch die Praxis-Teile der Ausbildung habe das Unternehmen neu konzipiert. „Früher waren die Azubis irgendwo auf der Baustelle unterwegs, aber der Bauleiter hatte gar keine Zeit, um ihnen etwas beizubringen.“ Heute biete der Betrieb eigene, mit den Bauträgern abgesprochene Azubi-Baustellen an.

Eine zweite Komponente, auf die das Unternehmen bei der Azubi-Gewinnung setzt, nennt Finger Softskills. So lege die EB-Gruppe hohen Wert auf eine hochwertige Gebäude-Optik, aber auch auf moderne Arbeitsplätze, beispielsweise mit höhenverstellbaren Tischen, Schallschutzelementen und großen Besprechungstischen, an denen Papier-Pläne im Großformat ausgebreitet und diskutiert werden können. Gleichzeitig spiele aber auch die sinnvolle Nutzung digitaler Hilfsmittel eine große Rolle. Beispielsweise kann über Tablet-PCs oder Smartphones das DSB – das digitale Schwarze Brett – abgerufen werden, auf dem zum Beispiel Schicht- oder Ausbildungspläne einsehbar sind. Aber auch die Unternehmenskultur („Wir verwenden das ’Du’ als Betriebssprache“), die Sorge um die Belange der Mitarbeiter beispielsweise in Form von bezahlbaren Betriebswohnungen oder der kollegiale Austausch beim gemeinsamen Fußballschauen in der hauseigenen Kantine ebtreff spielt hier mit rein.

Eine dritte Komponente, so Finger, stelle die Kontaktherstellung mit Jugendlichen dar. Beispielsweise in Form von Kooperationen mit verschiedenen Schulen, Ausbildungsmessen oder Azubi-Speeddatings. Dabei fungieren beispielsweise die Breitling-Auszubildenden als Ausbildungs-Botschafter und stellen ihre Berufe in den Schulen vor. Der Vorteil: „Die jungen Leute sind viel näher dran an den Schülern und haben eine ganz andere Authentizität“, meint Veit. Zudem haben die hauseigenen Azubis in Eigenregie einen Imagefilm erstellt, der unter anderem in den lokalen Kinos zu sehen ist. „Wir versuchen auch mehr Mädchen für Techniker-Berufe zu begeistern“, erklärt Finger. Denn die Frauenquote fällt gerade in diesem Bereich immer noch gering aus. Ein Digital Camp für Mädchen in Kooperation mit dem Landkreis soll bei diesem Problem Abhilfe schaffen. Besonders wichtig, meint Veit, sei es aber auch, Jugendliche auf Instagram oder Facebook anzusprechen, „denn dort bewegen sie sich“. Zudem verfügt die EB-Gruppe über ein Karriereportal. „Wir kämpfen wie die Löwen um jeden Azubi“, betont Veit und Finger fügt hinzu, dass die heutige Generation an Auszubildenden aber anders geschult werden müsse, als noch vor zehn Jahren. „Früher wusste jeder, was ein Kreuzschlitzschraubendreher ist.

Heute beginnen wir die Ausbildung damit, dass wir den jungen Leuten beibringen, welches Werkzeug für was gut ist.“ Das liege mitunter auch an den Elternhäusern: „Häufig haben Eltern Angst, dass ihre Kinder sich verletzen“, meint Veit. „Deshalb kommen viele junge Leute zu uns, die noch nie eine Bohrmaschine in der Hand gehalten haben.“ Gleichzeitig herrsche in der Vorstellung der heutigen Gesellschaft ein Ungleichgewicht zwischen akademischen und Ausbildungsberufen vor. So habe eine Studie gezeigt, dass 72 Prozent der Bevölkerung körperliche Arbeiten als geringer wertig erachten. „Da haben wir in Sachen Aufklärung und Werbung noch einiges zu tun“, schlussfolgert Susanne Eisenmann.

Text: Kreiszeitung Böblinger Bote/Sandra Schumacher
Bild: Eibner-Pressefoto/Wolfgang Frank