Elektro-Breitling im Gespräch mit der Agenturchefin Andrea Nahles
Stuttgart, 07.02.2024 – Bei einem von der Handwerkskammer Stuttgart organisierten Forum diskutierten führende Köpfe aus der Wirtschaft und der Arbeitsagentur über die Herausforderungen der Berufsorientierung und der Fachkräfteeinwanderung. Unter den Teilnehmern waren Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, Vertreter der Verbände des Bäcker- und Bauhandwerks sowie Geschäftsführer Jörg Veit von Elektro-Breitling.
„Wir befinden uns derzeit in einem Selbstüberprüfungsmodus, da gilt es, alle Fachkräftepotentiale zu heben und auf Freisetzungen konstruktiv zu reagieren“, eröffnete Nahles Ihren Vortrag beim handwerkspolitischen Forum. „Das ist ein Unding, dass junge Menschen ohne Ausbildung bei uns in der Arbeitsagentur als Kunden landen. „Hier liege ein eindeutiges Mismatch vor, das wir uns so nicht erlauben dürfen.“ Deshalb komme der Berufsorientierung allergrößte Bedeutung zu, so Nahles. Reiner Reichhold bemängelt die Herausforderungen der Ausbildungsbetriebe, „Es darf nämlich nicht sein, dass wir als Reparaturbetrieb für Missstände in Familien und in der Schulzeit aufkommen müssen.“
Geschäftsführer Veit schilderte seine Erfahrungen aus Planspielen und Bewerbertrainings mit Schulklassen. „Der Trend zur Akademisierung ist immer noch ungebrochen, obwohl wir mittlerweile mit dem Bachelor oder Master Professional gleiche Karrierewege aufzeigen können“, so Veit. Zwischen 70-80% der von Ihm befragten Schüler streben einen höheren Bildungsabschluss an und träumen von einer Karriere als Bachelor oder Master. Nur 5% erwägen eine Ausbildung im Handwerk. Ebenso problematisch ist die Tatsache, dass die zukünftige Arbeitsgeneration, trotz (oder wegen?) der 4-6h täglicher Medienzeit, im Großteil keine Antwort auf die Frage hat, welche Talente sie als zukünftige Berufs- oder Studieneinsteiger auszeichnen. Verschärft wird das Problem durch die Eltern, die mit einem sehr hohen Einfluss an der Berufs-/Studienentscheidung beteiligt sind und für Ihr Kind eine bessere Zukunft als Akademiker*in sehen.
Veit regte in seinen Redebeiträgen an, dass die Berufsexpert*innen der Arbeitsagentur bereits in der 5. oder 6. Klasse sich mit den Fähigkeiten der jungen Menschen beschäftigen. Durch die kontinuierliche Betreuung in den Schulen könnten wertvolle Impulse für die spätere Berufswahl gegeben werden. Die Berater*innen der Arbeitsagentur sind dafür extra ausgebildet. Was fehlt ist die Zeit mit den Schulklassen, da könnte Nahles Abhilfe schaffen. Ferner warb Veit für unser Freiwillige Handwerksjahr (#FHJ). Durch die Modifizierung der EQ-Maßnahme könnten Schüler*innen, Ausbildungs-, Studien- und Schulabbrecher*innen, Betriebe und die Arbeitsagentur profitieren. Hintergrund sind die bürokratischen Hemmnisse wie Mindestlohn, Kettenverleih oder Sondergenehmigungen für Schul- oder Berufsschulpflichtige und andere Rechtsthemen, die einer flächigen Ausbreitung des #FHJ entgegenstehen.
Eine Maßnahme wie das EQ, das auf 4 Quartale ausgeweitet werden könnte und den Teilnehmern die Möglichkeit eröffnet, 4 Berufe oder 4 Betriebe in einem Jahr zu kernen, brächte eine große Chance die Bürokratie für Unternehmen abzubauen und die Vielfalt der Berufschancen darzulegen.
Dabei würde die Schul-/Berufsschulpflicht ausgesetzt, das Mindestlohnproblem gelöst und der Praktikant könnte sich voll auf seine Berufsorientierung konzentrieren. Der Betrieb hätte gefördert die Möglichkeit, den Praktikanten näher kennen zu lernen und ihn für den Beruf zu begeistern. Eine WIN-WIN-Situation für Alle. Weiter gedacht könnte in der Arbeitsagentur eine Drehscheibe der Berufsorientierung entstehen, die junge Menschen und Unternehmen organisiert zusammenbringt. Ein Unternehmenssigel für die beteiligten Betriebe könnte den Schüler*innen/Abbrecher*innen zusätzlich bei der Suche nach geeigneten Ausbildungsbetrieben unterstützen. Im Anbetracht der steil steigenden Abbrecherzahlen und mangelnden Auffangmöglichkeiten wäre diese Drehscheibe ein wertvoller Beitrag in der Vermittlung. Bei 250.000 fehlenden Handwerker*innen muss jede Chance ergriffen werden, um junge orientierungslose Menschen zu unterstützen und in eine Ausbildung/ Arbeit zu bringen.
Frau Nahles zeigte sich offen für die vorgestellten Ideen und stellte in Aussicht, diese weiter zu prüfen und in der Arbeitsagentur zu diskutieren. In Anbetracht des Fachkräftemangels und der steigenden Zahl von Ausbildungsabbrechern betonten sie die Dringlichkeit, neue Wege zu finden, um junge Menschen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren.